Charles Haddon Spurgeon

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Charles Haddon Spurgeon (* 19. Juni 1834 in Kelvedon (Essex, England); † 31. Januar 1892 in Menton, Frankreich) war ein englischer Baptistenpastor und gilt als einer der bekanntesten Prediger des 19. Jahrhunderts.

Die große Veränderung

Sorgen um die Seele

Charles Haddon Spurgeon

Als ich angefangen hatte, mir über meine Seele Sorgen zu machen, und bereit war, alles zu tun und alles zu sein, wenn nur Gott meine Sünden vergeben würde, beschloß ich, alle Gottesdienstorte der Stadt aufzusuchen, in der ich lebte, damit ich den Weg der Erlösung herausfände. Aber lange Zeit war es umsonst. Einer der Prediger predigte über die göttliche Allmacht; ich hörte ihm gerne zu, aber wo war die Wahrheit für einen armen Sünder, der gerettet werden wollte? Ein anderer bewundernswerter Mann predigte immer über das Gesetz. Aber was für einen Sinn hat es, einen Boden, der den Samen braucht, nur immer wieder umzupflügen? Ein anderer war ein praktischer Prediger. Aber was er sagte, klang sehr nach einem Kommandeur, der einer Gruppe von Menschen ohne Füße die Manöverübungen erklärte. All diese Männer predigten Wahrheiten, die für eine Versammlung von geistlich ausgerichteten Menschen gedacht waren; aber was ich wissen wollte, war: »Wie kann ich die Vergebung meiner Sünden erlangen?« [Psalm 51,1-6]

Schneesturm

Vielleicht würde ich noch heute in Dunkelheit und Verzweiflung leben, hätte Gott in seiner Güte nicht einen Schneesturm gesandt, der mich eines Sonntagmorgens auf dem Weg zum Gottesdienst überraschte. Ich suchte in einer Nebenstraße Zuflucht und kam zu einer Kapelle der Methodisten. Darin saßen etwas fünfzehn bis zwanzig Menschen. Ich hatte von den Methodisten schon gehört, sie würden so laut singen, daß man Kopfschmerzen davon bekäme. Aber das störte mich nicht. Ich wollte wissen, wie ich gerettet werden könne, und wenn sie es mir sagen konnten, waren mir die Kopfschmerzen egal. An diesem Morgen kam der Prediger nicht, vermutlich weil er eingeschneit war. Schließlich stand ein sehr schmal aussehender Mann auf und ging nach vorne auf die Kanzel, um zu predigen. Dieser Mann war wirklich einfältig. Er mußte bei seinem Text bleiben, denn er hatte wenig darüber hinaus zu sagen. Der Text war »Schaut auf mich, und ihr werdet gerettet werden, all ihr Enden der Erde«. [Jes 45,22][1]

Schauen

Er sprach nicht einmal die Worte richtig aus, aber das war unwichtig. Da lag, so dachte ich, ein Hoffnungsschimmer in diesem Text. Der Redner begann: »Meine lieben Freunde, dies ist in der Tat ein sehr einfacher Text. Er sagt >Schaut<. Nun ist Schauen nicht allzu schmerzhaft und anstrengend. Du mußt nicht einmal deinen Finger oder deinen Fuß dafür heben. Nur >Schaut<. Nun, ein Mensch muß nicht zur Universität gehen, um Sehen zu lernen. Du kannst der größte Trottel sein, und doch kannst du sehen. Ein Mensch muß auch nicht Tausende im Jahr verdienen, um sehen zu können. Jeder kann sehen, sogar ein Kind kann sehen. Aber dann sagt der Text: >Schaut auf mich.< Nun!«, fuhr der Mann in seinem breiten Essexer Dialekt fort, »viele von euch schauen auf sich selbst, aber es hat keinen Sinn, dahin zu blicken. In euch werdet ihr nie irgendeinen Trost finden. Einige schauen auf Gott, den Vater.

auf Christus

Nein, schaut immer mehr auf ihn! Jesus Christus sagt: >Schaut auf mich.< [Joh 14,9; Joh 12,45] Einige unter euch sagen: >Wir müssen warten, bis der Geist an uns arbeitet.< Kümmere dich jetzt nicht darum. Schau auf Christus. Der Text sagt, >Schaut auf mich.< Auf diese Art und Weise ging es weiter: »Schaut auf mich, ich schwitze große Blutstropfen. Schaut auf mich, ich hänge an dem Kreuz. Schaut auf mich, ich bin tot und begraben. Schaut auf mich, ich stehe wieder auf. Schaut auf mich, ich fahre auf zum Himmel. Schaut auf mich, ich sitze zur Rechten des Vaters. O, du armer Sünder, schau auf mich! Schau auf mich!«

Erlösung

Als er bis hierher gekommen war und es geschafft hatte, etwa zehn Minuten zu füllen, war er am Ende mit seinem Latein. Dann sah er mich, wie ich unter der Galerie saß. Sicher wußte er bei so wenigen Anwesenden, daß ich ein Fremder war. Er richtete sein Auge auf mich, als würde er mein ganzes Herz kennen, und sagte: »Junger Mann, Sie sehen sehr elend aus ...« Ja, das tat ich, aber ich war es nicht gewohnt, von der Kanzel her direkt auf mein persönliches Aussehen angesprochen zu werden. Wie dem auch sei, es war ein Volltreffer. Er fuhr fort:»... und Sie werden immer elend sein - elend im Leben und elend im Tode - wenn Sie meinem Text nicht gehorchen. Aber wenn Sie jetzt, in diesem Moment, gehorsam werden, dann werden Sie gerettet.« Dann, mit hoch erhobenen Händen, rief er, wie dies vielleicht nur ein einfacher Methodist tun kann: »Junger Mann, schau auf Jesus Christus. Schau! Schau! Schau! Du mußt nichts tun, als nur schauen, und du wirst leben.« Plötzlich und auf einmal sah ich den Weg der Erlösung. Ich weiß nicht mehr, was er noch sagte - ich habe nicht so sehr darauf geachtet -, ich war ganz und gar erfüllt von diesem einen Gedanken. Genauso war es doch mit der ehernen Schlange gewesen; als sie erhöht worden war, mußten die Leute nur auf sie schauen, und sie wurden gerettet. [4. Mose 21,6-9] So war es auch mit mir. Ich hatte erwartet, fünfzig Dinge tun zu müssen, aber als ich dieses Wort hörte: »Schau«, da schien es für mich das schönste Wort der Welt zu sein! Ach, ich hätte mir die Augen aus dem Kopf schauen können. An diesem Ort und in diesem Augenblick wich der Schleier, die Dunkelheit verschwand, und im gleichen Moment sah ich die Sonne. Ich hätte aufstehen können und mit den enthusiastischsten Methodisten von dem kostbaren Blut Christi [1Petr 1,19] und dem einfachen Glauben singen können, der nur auf ihn schaut. Wenn mir das doch nur schon vorher jemand gesagt hätte: »Verlaß dich auf Christus[2], und du sollst gerettet werden.« [Apg 16,31] Ich konnte jetzt John Bunyan verstehen, der sagte, er habe den Krähen auf dem Acker alles über seine Bekehrung erzählen wollen. Er war zu voll davon, um es für sich zu behalten.

Freude

Nicht jeder Mensch kann sich an den Tag seiner Erlösung erinnern. Aber, wie Richard Knill sagte: »In diesem Augenblick an jenem Tag erklang jede Harfe im Himmel«, denn Richard Knill war wiedergeboren. Ich auch. Was für eine Veränderung hatte zwischen halb elf, als ich in die Kapelle kam, und halb eins, als ich wieder zu Hause war, in mir stattgefunden! Ich war aus der Dunkelheit in ein wunderbares Licht getreten, aus dem Tod in das Leben, einfach indem ich auf Jesus geschaut hatte. Ich war aus der Verzweiflung erlöst und so glücklich geworden, daß die, die mich zu Hause sahen, sagten: »Irgend etwas Wunderbares ist mit dir geschehen.« Ich konnte es kaum abwarten, ihnen davon zu erzählen.[3]

Einzelnachweise

  1. Übersetzung der engl. King James Übersetzung: „Look unto me, and be ye saved, all the ends of the earth: for I am God, and there is none else.“
  2. BibleHub: Interlinear Apg 16,31: Πίστευσον/Pisteuson kann mit „Glauben“, „Vertrauen“ oder „Verlassen auf“ übersetzt werden: BibleHub: Strongs Greek - Thayer's Greek Lexicon - STRONGS NT 4100: πιστεύω / pisteuó
  3. Charles Haddon Spurgeon, Autobiographie, Dieser Ausgabe liegen die vierbändige Autobiographie und die leicht bearbeitete spätere Auflage in zwei Bänden zugrunde, beide herausgegeben von Susannah Spurgeon und dem Privatsekretär Joseph Harrald: C. H. Spurgeon Autobiography, compiled from his Diary, Letters and Records by his wife and his private Secretary, London 1897-1910, A revised edition, 2 Bände, London 1962 und 1973 Die deutsche Ausgabe besorgten Dr. Klaus Fiedler, Hans-Georg Wünsch und Elisabeth Wetter. 3. Sonderauflage 2002 © 1984 der deutschen Ausgabe Oncken Verlag Wuppertal und Kassel Lizenzausgabe 2002 by CLV Christliche Literatur-Verbreitung Postfach 110135, 33661 Bielefeld Internet: www.clv.de Umschlaggestaltung: Dieter Otten, Gummersbach Druck und Bindung: Ebner & Spiegel Ulm, ISBN 3-89397-335-4, S. 54-56