Begegnung mit dem Feuer Gottes

Aus Wiki Jesus Christus
Zur Navigation springenZur Suche springen

Kampf

Tirol, Februar 2008

Wieder einmal begleitet mich Tom. Wie schon so oft bin ich unterwegs zu einer Gruppe von Jugendlichen, denen ich von Jesus erzählen werde. Doch diesmal ist es nicht einfach. Es ist ein kleiner Haufen Teenager, irgendwo auf einer Berghütte in Tirol. Nudeln mit Tomatensoße, Kicker, Schlafsäcke: das Übliche. Und doch soll ich an diesem Wochenende etwas Entscheidendes lernen, was an meine „Power-Erfahrung“ von 1999 anknüpft. Und etwas, das für immer mein Bild vom „fruchtbaren“ Dienst in Gottes Reich prägen soll. Doch alles der Reihe nach.

Am ersten Abend erzähle ich von meinem Weg mit Jesus. Am nächsten Morgen über irgendetwas anderes. Ich bin witzig, meine Vorträge sind voller packender Geschichten und Beispiele. Doch im Gegensatz zu sonst scheine ich nicht zu den Jugendlichen durchzudringen. Die Jugendlichen? Na, ganz normale eben. Zwei Mädchen spielen mit ihren Handys, eine andere kichert, die Aufmerksamkeit ist mäßig. Dann kommt der Nachmittag. Ich spreche über Sex. Das ist das Thema, das normalerweise alle aus der Reserve lockt oder zumindest brennend interessiert. Doch auch hier: schleppende Reaktionen, der Funke scheint nicht überzuspringen. Später ist ein „Heilig-Geist-Abend“ geplant, weil der ebenfalls noch jugendliche Leiter sich wünscht, dass etwas passiert. Doch mit diesen Ausgangsbedingungen — was soll da schon passieren? Meine bisherigen Botschaften haben nicht gezogen, wir haben auch keine Band, von der ich erhoffen dürfte, dass sie die Leute mitreißen würde. Ich fühle mich ratlos, denn auch die einfachsten Lektionen des Gebets muss ich irgendwie immer wieder neu lernen ...

Es ist 17.45 Uhr und Tom und ich ziehen uns zum Gebet in unseren sehr rustikalen Schlafraum zurück. Um 19 Uhr soll der Gebetsabend beginnen, und ich habe keine Ahnung, wie der ablaufen soll. Wir beginnen, frei zu beten. Innerhalb weniger Minuten spüre ich etwas. Und ohne nach links zu blicken, weiß ich, dass Tom das Gleiche spürt. Es ist, als senke sich eine schwere Decke über uns. Es ist, als könnten wir spüren, dass da wirklich Schwere, Dunkel und ein Nebel sind, die das Licht Gottes daran hindern, zu diesen Jugendlichen durchzudringen. Wie von einer Last zu Boden gedrückt, knie ich mich auf meine Isomatte. Nur wenig später liegt auch mein Kopf auf dem Boden. Ich ringe. Oder besser gesagt: etwas hat mich gepackt. Nicht mehr ich bete, sondern es betet mich. Tom neben mir empfindet offensichtlich exakt dasselbe. Auch er auf dem Boden, auch er wie niedergedrückt von einer geistlichen Last.

An einer Stelle spricht Paulus davon, für die Gläubigen Geburtswehen zu erleiden (Galater 4,19). Ich habe von Gebet, das wie Geburtswehen ist, schon gehört, aber es bislang noch nie erfahren. Doch Geburtswehen macht man nicht, sie kommen über einen. Und über mich kommt in diesem Moment ein solcher Schmerz, ein solches Kämpfen um die Seelen dieser jungen Menschen, dass es mich zu Boden drückt. Es bricht aus uns heraus: ein Seufzen, ein Klagen, ein Zu-Gott-Schreien. Es fühlt sich nicht angenehm an, sondern wie ein Kampf. Und doch ist es das Einzige, was wir gerade tun können. Und es hört nicht auf. Es hört über eine Stunde nicht auf.

Die Uhr schlägt, es ist eigentlich Zeit, das Gebet abzubrechen und das Programm zu beginnen. An dieser Stelle wäre es so logisch, mit dem Beten aufzuhören. Doch es gehört zu dieser Lektion, es nicht zu tun. Ich spüre, dass das jetzt nicht richtig wäre. So gehe ich zum Leiter der Gruppe und sage ihm: Der Beginn des Abends wird verschoben, wir haben noch keinen Durchbruch im Gebet. Die Jugendlichen werden zurückgeschickt zu ihren Freizeitaktivitäten und ich gehe zurück in den Schlafraum. Es geht nicht anders. Kaum betrete ich ihn, trifft mich wieder die gleiche Last mit der gleichen Intensität. Es fühlt sich an, als sei ein großer, bedrohlicher Feind plötzlich in unser Fadenkreuz geraten, und alles, woran wir noch denken können, ist, beständiges Gebet wie Trommelfeuer aufrechtzuerhalten.

Viele Minuten später. Plötzlich ... So augenblicklich, wie es gekommen ist, ist es weg. Ich realisiere, dass ich aufgehört habe zu beten. Ich bemerke, dass ich ruhig werde. Auf einmal füllen ein Friede und eine Leichtigkeit den Raum. Der Blick nach links zeigt mir, dass auch Tom aufgehört hat zu beten und nun ganz ruhig dasitzt. Mit verschwörerischem Augenblinzeln verständigen wir uns sofort: Jetzt können wir anfangen![1]

Feuer

Der Abend beginnt schmucklos. Keine Band, keine Spiele, keine Geschichten. Ich spreche zehn Minuten. Es ist das reine, schlichte und radikale Evangelium. Du musst von Neuem geboren werden. Willst du Jesus folgen? Es wird dich alles kosten, es wird die radikalste Entscheidung deines Lebens. Doch eine, die sich unendlich lohnt. Ohne Verzierungen, ohne Späße. Die vorhin noch kichernden Teenies sitzen wie vom Donner gerührt. Und wer diese Entscheidung nun treffen wolle, der solle hier vor den Augen seiner Freunde aufstehen und nach vorne kommen.

Diese Jugendlichen — dieselben, die sich in den Einheiten zuvor so gar nicht begeistern ließen. Die so cool waren und „drüberstanden“. Es dauert keine Sekunde, da stehen, ja springen alle auf und strömen nach vorne. Ich leite sie in ein einfaches Gebet: Vater, danke, dass du mich liebst und dass Jesus für mich gestorben ist. Jesus, ich kehre um von meinen schlechten Wegen, bitte vergib mir. Ich will dir heute mein Leben übergeben und das Geschenk deines Kreuzes annehmen. Ich will dir nachfolgen. Amen.

Schon während dieses Gebets fangen die Ersten an, heftig zu schluchzen, einer beginnt zu zittern. Auch hier wieder: Dies ist kein charismatisches Setting, diese Jugendlichen wissen nicht einmal, dass es so etwas gibt. Wir beginnen nun, ein einfaches Lied zum Heiligen Geist zu singen und für jeden Einzelnen zu beten.

Es ist, als wären unsere Hände mit Starkstrom geladen. Bei der Berührung fällt der Erste zu Boden, wie vom Blitz getroffen. Ebenso der Zweite, die Dritte ... Viele beginnen laut zu weinen, zu schluchzen, zu schreien. Eine andere beginnt zu lachen und immer wieder „Danke, Jesus!“ zu wiederholen. Heiliges Chaos, einmal mehr. Als schließlich der Ortspfarrer spontan zu Besuch kommt und in einen halbdunklen Raum tritt, wo überall weinende, lachende oder schlicht glückliche Jugendliche am Boden liegen, kann ich mir nicht anders helfen als mit einem kleinen Trick. Erklären kann ich in aller Kürze ohnehin nicht, was hier vor sich geht. So bitte ich ihn, in einem benachbarten Raum für Beichte und Gespräch zur Verfügung zu stehen. Er lässt seinen Blick noch einmal über die ungewöhnliche Szene gleiten und geht dann in das Zimmer. Morgen werde ich ihm irgendwie erklären, was hier gerade passiert ...

Doch als er am nächsten Tag wiederkommt, sagt er: „Also, was das gestern Abend war, kann ich zwar nicht sagen. Aber ich kann sagen, dass jeder einzelne dieser Jugendlichen zum Beichten kam, und solche Beichten habe ich noch nicht oft gehört Später erfahre ich, dass sich ein Mädchen aus einer buddhistischen Familie hat taufen lassen. Der Abend ist ein großer Sieg für das Reich Gottes und ein mächtiger, nachhaltiger Durchbruch im Leben dieser Jugendlichen. Für immer habe ich die Lektion gelernt: Es gibt einen Unterschied zwischen Verkündigung mit Kraft und ohne Kraft. Und was macht den Unterschied? Gebet. Einmal mehr das Gebet.[2]

  1. Johannes Hartl, In meinem Herzen Feuer, meine aufregende Reise ins Gebet, SCM R. Brockhaus, Stiftung Christliche Medien, 8. Auflage 2017, ISBN 978-3-417-26610-8, S. 161-162
  2. Johannes Hartl, In meinem Herzen Feuer, meine aufregende Reise ins Gebet, SCM R. Brockhaus, Stiftung Christliche Medien, 8. Auflage 2017, ISBN 978-3-417-26610-8, S. 163-164